«Meine Forschung soll ein nützliches klinisches Werkzeug werden.»

Dezember 2022

Amith Kamath möchte durch KI-gestützte Planung eine schnellere Strahlentherapie für Patientinnen und Patienten mit einem Glioblastom ermöglichen. Der Preisträger des CAIM Young Researcher Award schätzt die Offenheit der Berner Community rund um KI-Anwendungen im Gesundheitswesen, die auch Ideen aus anderen Disziplinen willkommen heisst, um schwierige medizinische Probleme anzugehen. Amith promoviert derzeit in der Forschungsgruppe Medical Image Analysis des ARTORG Center. Er freut sich darauf, seine Forschungsergebnisse mit Hilfe der breiten unternehmerischen Unterstützung, die er in Bern erhält – darunter das persönliche Business-Coaching durch be-advanced als Teil seines CAIM Award-Gewinns in der Kategorie "Translation" – in ein klinisches Werkzeug zu überführen.

Amith Kamath (zweiter von rechts) will Deep-Learning-Modelle entwickeln, die Radioonkolog*innen helfen können, die Therapie für Hirntumorpatient*innen schnell und sicher zu planen. Hier mit seinen Forschungspartnern Prof. Dr. med. Nicolaus Andratschke und Dr. med. Jonas Willmann, Abteilung für Radioonkologie, Universitätsspital Zürich (links), und seinem Doktorvater Prof. Dr. Mauricio Reyes, ARTORG Center, Universität Bern (rechts). (© Mauricio Reyes für CAIM)

Was motiviert dich bei deiner Forschung?
Im Mittelpunkt meiner Forschung steht die Einschätzung der Qualität der Strahlentherapie für Patientinnen und Patienten mit einem Glioblastom. Angesichts der meist schlechten Prognose müssen Patienten, bei denen dieser Tumor bereits diagnostiziert wurde, aufgrund der derzeitigen Arbeitsabläufe der Strahlentherapieplanung zwischen einer und drei Wochen warten, bis sie mit der Behandlung beginnen können. Wir erwarten, dass mit KI-Modellen, die dabei helfen, Organkonturen zu setzen und gleichzeitig die Strahlendosis und Toxizität abzuschätzen, die Strahlentherapie früher begonnen werden kann, bevor der Tumor weiter fortgeschritten ist. Dadurch hoffen wir, dass unsere Arbeit eines Tages das Leben dieser Menschen wirklich verbessern kann.

Amith Kamath diskutiert mit Dr. Ekin Ermis, Universitätsklinik für Radio-Onkologie am Inselspital, über Tumorkonturierung in der Strahlentherapieplanung. (© CAIM, Universität Bern)

Die Herausforderung bei der Strahlentherapie von Glioblastomen besteht darin, den Tumor gezielt abzutöten, aber gesunde Hirn-regionen zu schonen. Fehler, die in den ersten Schritten des Planungs-Prozesses gemacht werden, können sich in den nachfolgenden Schritten summieren, was unterstreicht, wie wichtig es ist, präzise zu sein. Wenn man zum Beispiel gesundes Gewebe im Gehirn bestrahlt, können Menschen lebenswichtige Fähig-keiten verlieren, oder zum Beispiel die Sprache oder Bewegungsfähigkeit. Unser Konzept besteht darin, tiefe neuronale Netze einzusetzen, um nicht nur zu schätzen, sondern auch zu simulieren, wie sich die Grenzen, die bei der Planung der Strahlentherapie um Tumore und gesunde Bereiche gezogen werden, zwischen den Experten unterscheiden. Diese Simulationen geben uns ein besseres Gefühl für die Bandbreite sicherer Variationen in der manuellen Vorgehensweise menschlicher Experten und ermöglichen es uns, die klinischen Auswirkungen solcher Variationen zu verstehen, was zu einer sichereren Behandlung führt.

Was bedeutet dir der Gewinn eines CAIM-Nachwuchsforschungspreises?
Am wichtigsten ist für mich, dass viele von uns ihre Forschungsergebnisse in einem Rahmen wie dem CAIM-Symposium vorstellen und konstruktives Feedback und Kommentare erhalten konnten. Die Existenz einer so lebendigen Gemeinschaft finde ich sehr bereichernd.
Im Hinblick auf den translationalen Fokus des Preises hatte ich das Glück, bereits im Oktober dieses Jahres durch das Innosuisse-Startup-Toolbox-Programm "Business Concepts" einen ersten Einblick in die Translation von Forschung erhalten zu haben. Das unternehmerische Coaching, das mir nun mit dem CAIM-Award offensteht, ist die perfekte Fortsetzung davon. Denn ich freue mich darauf, von den Expertinnen und Experten zu erfahren, wie wir unsere Forschung in ein nützliches Werkzeug oder Produkt für Ärztinnen und Ärzte umsetzen können!

(© CAIM, Universität Bern)

Wenn es zehn Nutzer dessen gibt, was ich programmiere, bedeutet mir das mehr, als eine Doktorarbeit zu schreiben, die niemand liest.

Das Einzigartige hier in Bern ist die grosse translationale Unterstützung, die man erhält, zum Beispiel durch das Schweizerische Institut für Translationale und Unternehmerische Medizin, sitem-insel. In der Fakultät existiert viel Wissen darüber, wie ein Doktorats-Projekt als konkretes Produkt weiterentwickelt und in Kliniken eingesetzt werden kann, und das ist ziemlich spannend! Wenn es zehn Nutzer dessen gibt, was ich programmiere, bedeutet mir das mehr, als eine lange Doktorarbeit zu schreiben, die vielleicht niemand liest.

Diskussion über die Möglichkeiten von Deep Learning bei der Planung der Strahlentherapie für Patientinnen und Patienten mit Hirntumor. (© CAIM, Universität Bern)

Wie wichtig ist es für dich, deine Forschung mit anderen zu teilen?
Sehr wichtig! Mein Hintergrund liegt hauptsächlich in der Bildverarbeitung und Computer Vision, und ich finde es grossartig, wie offen die wissenschaftliche Gemeinschaft hier für Forschende mit anderem akademischem Hintergrund ist. Ich komme nicht aus der Biomedizin, aber ich glaube, dass Menschen ohne medizinische Ausbildung einen wichtigen Beitrag zur Lösung schwieriger medizinischer Probleme leisten können. Methoden, die in anderen Bereichen gut etabliert sind, können für die Herausforderungen im Gesundheitswesen neue, innovativen Lösungen bedeuten.
Ich schätze die Menschen, mit denen ich täglich zusammenarbeite und die mich motivieren, indem sie immer die richtigen Fragen stellen. Zudem ist es von Vorteil, dass meine Arbeit sehr visuell ist: Ein paar Bilder oder ein Video vermitteln anderen rascher eine Idee als eine Reihe von Gleichungen. Auch sind die Ärztinnen und Ärzte hier sehr offen dafür, wenn wir als Ingenieure auf sie zukommen, wenn Bilder schwer zu interpretieren sind. Diese Bereitschaft, miteinander zu arbeiten und dieselbe Sprache zu sprechen, ist in diesem Forschungsbereich ein enormer Vorteil.
Daher möchte ich unsere Forschung auch mit einer breiteren globalen Gemeinschaft teilen. Ich nutze soziale Medien, um mich mit anderen Forschenden auszutauschen, und unser Forschungslabor Medical Image Analysis hat eine "How to"-Videoserie für Anfänger im Bereich Deep Learning für die medizinische Bildgebung lanciert, in der einige der Fallstricke und Stolpersteine auf humorvolle Weise zusammengefasst werden (https://github.com/ubern-mia/bender). Ausserdem planen wir derzeit ein Symposium über die Interpretierbarkeit von KI-Modellen für den März 2023 im Rahmen des CAIM, in der Hoffnung, eine lebhafte Diskussion über dieses wichtige Thema für eine sicherere KI-Anwendung in der Medizin zu fördern.

(© CAIM, Universität Bern)

Amith hat Informatik studiert und besitzt einen Master of Science in Informatik des Georgia Institute of Technology in den USA. Zuvor arbeitete er als Softwareentwickler bei MathWorks Inc. an den Image Processing and Computer Vision Toolboxes in MATLAB, einer Programmiersprache für wissenschaftliche Berechnungen. In Erstausbildung erwarb Amith einen Bachelor in Elektrotechnik am National Institute of Technology Karnataka in Surathkal, Indien, gefolgt von einem Master of Science im selben Fach an der University of Minnesota, USA. Derzeit promoviert er in Biomedizintechnik am ARTORG Center der Universität Bern unter der Leitung von Prof. Dr. Mauricio Reyes.

Amiths Doktorarbeit befasst sich mit der Bildsegmentierung und der Frage, wie man KI-Modelle zum einen einsetzen kann, um den ansonsten zeit- und arbeitsintensiven Segmentierungsprozess zu automatisieren und zum anderen, um die Qualität von automatisch gesetzten Konturen im Vergleich zu denen von menschlichen Expertinnen und Experten zu bewerten. Seine Forschung konzentriert sich sowohl auf die Robustheit des Einsatzes von KI-Modellen zur automatischen Segmentierung als auch auf die Berechnung von Strahlendosis-Vorhersagen aus diesen Konturen, was im Vergleich zum derzeitigen klinischen Prozessablauf eine Zeiteinsparung bedeuten würde. Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, die Geschwindigkeit sowie die Qualität und Sicherheit von Strahlentherapieplänen für Patientinnen und Patienten mit Glioblastom zu verbessern.

Bern Interpretable AI Symposium (BIAS): www.caim.unibe.ch/bias2023